Am 17.11.2021 wurde im Ministerrat das Right-to-Plug, also das Anrecht auf eine private Ladestation am PKW-Stellplatz beschlossen. Damit wurde vom Gesetzgeber ein wichtiger Meilenstein für die Nachrüstung von E-Ladestationen im Bestandswohnbau umgesetzt.
Davor war die Nachrüstung von Ladestationen kompliziert und benötigte die Zustimmung von allen WohnungseigentümerInnen. War die nicht vorhanden, konnte man die Entscheidung zwar vor Gericht versuchen durchzusetzen, doch gerichtliche Auseinandersetzungen innerhalb von Hausbewohnern ist jedenfalls ein heikler Schritt, was viele EingentümerInnen davon abgehalten hat.
Parallel zum Right-to-Plug wurde das Wohnungseigentumsgesetz (§ 16 Abs. 5 WEG) novelliert und mit der so genannten „Zustimmungsfiktion“ ein Instrument geschaffen, das die Installation von Ladeeinrichtungen für die Elektromobilität deutlich erleichtert. Im Mietrechtsgesetz ist dies im § 9 geregelt.
Gemäß dieser oben genannten Zustimmungsfiktion gilt eine Zustimmung als dann erteilt, wenn alle anderen WohnungseigentümerInnen über die geplanten Änderungen ordnungsgemäß schriftlich verständigt werden und wenn niemand binnen zweier Monate dagegen schriftlich widerspricht.
Es wurde in der Novelle des WEG 2022 somit ein Wechsel von einer aktiven Zustimmung in eine aktive schriftliche Ablehnung vollzogen. Dies stellt einen wichtigen Paradigmenwechsel dar. Die Zustimmungsfiktion ist aber leistungsmäßig begrenzt auf Ladestationen mit 3,7 Kilowatt einphasig und 5,5 Kilowatt dreiphasig.
Basierend auf diesen Änderungen wollen wir nun die die Möglichkeiten der Installation von Ladestation an mehreren Beispielen darstellen:
1
Eine Ladestation mit bis zu 3,7 Kilowatt einphasig oder 5,5 Kilowatt dreiphasig
Herr Meier möchte eine Einzelladestation auf seinem Parkplatz installieren lassen. Entsprechend der Zustimmungsfiktion muss er die geplanten Änderungen allen anderen WohnungseigentümerInnen mitteilen. Wenn niemand aktiv widerruft, kann Herr Meier die Ladestation mit einer maximalen Leistung von 3,7 Kilowatt einphasig oder 5,5 Kilowatt dreiphasig von einem Fachbetrieb installieren lassen. Wenn jemand widerspricht, kann Herr Meier die Zustimmung gerichtlich durchsetzen lassen, das wäre dann gleich wie früher.
2
Eine Ladestation mit mehr als 3,7 Kilowatt einphasig oder 5,5 Kilowatt dreiphasig
Frau Huber möchte eine Einzelladestation mit mehr als 5,5 Kilowatt dreiphasig installieren. Da für Leistungen über 5,5 Kilowatt dreiphasig die Zustimmungsfiktion nicht gilt, muss Frau Huber eine aktive Zustimmung aller Wohnungseigentümer einholen. Wenn diese nicht zu erreichen ist, kann sie diese gerichtlich durchsetzen lassen.
3
Die Mobilitätsgemeinschaft
Wollen mehrere Wohnungseigentümer eine Ladestation errichten, können sie sich zu einer Mobilitätsgemeinschaft zusammenschließen. Für sie gelten die selben Bedingungen wie im in den Beispielen 1 und 2.
In allen Situationen, wo mehr als eine Ladestation errichtet werden, empfehlen wir ein Lademanagement, welches die benötigte Leistung für die einzelnen Ladestationen reduziert. Wenn zu erwarten ist, dass ich die Zahl der Teilnehmer an einer Mobilitätsgemeinschaft verändern wird,
4
Die Gemeinschaftsanlage
Es ist zu erwarten, dass in Zukunft die Anforderung an Ladestationen steigen wird. Bei Installation von mehreren Einzelladestationen kann das dazu führen, dass die die Erhöhung der Anschlussleistung des Hauses erforderlich wird. Das kann mit einer Verstärkung der Zuleitung, Hauptverteiler und im schlimmsten Fall zu einer notwendigen Erneuerung der gesamten Elektroanlage nach sich ziehen.
So lange kein wesentlicher Eingriff in eine Elektroanlage erfolgt, gelten die gesetzlichen Bestimmungen und Normen vom Errichtungszeitpunkt (ETG 1992 § 4 Bestandsschutz). Jedenfalls ist eine Leistungserhöhung um mehr als 20% ein wesentlicher Eingriff, was den Bestandschutz aufhebt und die Elektroanlage auf den aktuellen Stand der Gesetze Normen und Vorschriften erforderlich macht. Das kann sehr kostspielig werden.
Dies kann vermieden werden, in dem man eine Gemeinschaftsanlage mit Lastmanagement installiert. Mit diesem intelligenten Lastmanagement kann man Spitzenlasten vermeiden und die Ladezeiten so verteilen, dass es (vorerst) zu keiner Erhöhung der Anschlussleistung kommen muss.
Für die Installation von Gemeinschaftsanlagen mit Lastmanagement und die dafür notwendige Willensbildung (§ 24 Abs. 4) gibt es auf Grund der WEG-Novelle 2022 die Möglichkeit einer Mehrheit aller Miteigentumsanteile (einfache Mehrheit) oder einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen, die zumindest ein Drittel aller Miteigentumsanteile ausmachen.
Zusammenfassung Willensbildung
Mit dem Right-to-Plug hat nun jeder Eigentümer eines Parkplatzes ein Anrecht auf eine Ladestation. Das ist ein wesentlicher Meilenstein in der Elektromobilität.
Einzelladestationen mit 3,7Kilowatt einphasig oder 5,5 Kilowatt dreiphasig: Es gilt die Zustimmungsfiktion.
Einzelladestationen über 5,5 Kilowatt dreiphasig: Zustimmung aller Wohnungseigentümer.
Gemeinschaftsanlagen: Einfache Mehrheit oder zwei Drittel bei mindestens einem Drittel der Eigentumsanteile.
Elektrotechnische Vorgaben und Brandsicherheit
Die Ausführung von Ladestationen unterliegt Normen und dem Elektrotechnikgesetz und muss von einem konzessionierten Elektrofachbetrieb installiert werden. Alle elektrotechnischen Aspekte für Planung, Installation, Betrieb und Prüfung sind zur Gänze vorgegeben und müssen eingehalten werden. Der Elektrofachbetrieb hat dabei alle Gesetze, Normen und Standards gemäß dem Stand der Technik einzuhalten, diese sind insbesondere das Elektrotechnikgesetz 1992, die Elektrotechnikverordnungen sowie die ÖNORM E 8101 einschließlich der darin zitierten Dokumente.
Einen umfangreichen Überblick über technische, rechtliche und wirtschaftliche Fragestellungen bei der Nachrüstung von Ladestationen bietet der vom Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie beauftragten Leitfaden des e-Mobility Check Projekts e-mobility-check-laden-im-wohnbau
https://www.ebe-mobility.at/e-mobility-check-laden-im-wohnbau
sowie der vom Klimafonds herausgegebene e-mobility-check
Elektrotechnische Umsetzung
Die Stromversorgung erfolgt ab der Trafostation oder dem Hausanschluss über eine Messwandlerzählung.
Von dort erfolgt die Verkabelung zu einem Verteiler in der Garage.
Von diesem Verteiler erfolgt die Verkabelung zu den einzelnen Garagenboxen, die eine E-Ladestation benötigen.
In der Garagenbox wird die Wallbox montiert.
Die Ladung der Fahrzeuge erfolgt intelligent geregelt über eine Masterstation, die Abrechnung erfolgt direkt mit den StellplatznutzerInnen.
Die Installation und Anmeldung beim Energieversorger muss von einer Elektro Fachfirma erfolgen.
Die Einrichtungen zum Laden von Elektrofahrzeugen muss jährlich von einer Elektro Fachfirma überprüft werden.
TR Ing. Manfred Kernstock, Juni 2024
Der Autor ist Eigentümer eines Ingenieurbüros für Elektrotechnik und hat in dieser Funktion die (elektro)technische Infrastruktur von rund eintausend Objekten saniert, etwa 700 davon in mehrgeschoßigem Wohnbau.